Julian Spiess ist Sozialpädagoge und arbeitet für die gemeinnützige GmbH "Helfende Hände". In ihren Einrichtungen werden mehrfachbehinderte Kinder und Erwachsene gefördert und betreut. Herr Spiess ist Selbstvertreter und schildert die Notwendigkeit der flächendeckenden Einrichtung von "Toiletten für alle" aus seiner persönlichen Erfahrung.
Es gibt relativ viele "behindertengerechte" oder "behindertenfreundliche" Toiletten für Menschen mit Behinderung. Sie sind zwar meist geräumig und an den Toiletten sind Haltegriffe angebracht. Schwierig wird es allerdings, wenn man, wie ich und viele andere Menschen mit schweren Behinderungen, nicht frei sitzen kann und deshalb auf eine Liege angewiesen ist. Das ist beispielsweise für das Wechseln der Inkontinenzeinlage nötig oder auch einfach zur Entspannung. Nach einer Toilette mit Liege und einem Lifter für den Wechsel vom Rollstuhl auf eine Liege und zurück sucht man meist vergeblich.
Das ist besonders bei Ausflügen oder beim Besuch von öffentlichen Veranstaltungen sehr lästig. Oft müssen mich zwei Assistenten zum Wechseln der Inkontinenzeinlage auf den harten Boden oder auf eine Bank legen und versorgen. Aus Platzgründen muss das meist im öffentlichen Raum geschehen, zum Beispiel auf einer abgelegenen Wiese. So kann meine Privatsphäre nur unzureichend geschützt werden. Außerdem ist die Hebearbeit für meine Assistentinnen körperlich sehr anstrengend und kann zu dauerhaften Rückenschäden führen. Das ist ein generelles Problem im Bereich der Behindertenhilfe. Auch für mich ist es wesentlich angenehmer, von einem Lifter angehoben zu werden.
Längerfristig sollte es unbedingt an allen öffentlichen Orten "Toiletten für alle" geben, die zusätzlich zu den bisherigen Standards vor allem mit einem Lifter und einer breiten Liege ausgestattet sein müssen. Nur dann können Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen öffentliche Toiletten auch tatsächlich nutzen. Dabei sind sie übrigens auch auf die Einhaltung von Hygienestandards angewiesen. Eine "Toilette für alle" erweitert die Möglichkeiten dieser Menschen grundlegend. In vielen Fällen macht sie die Teilnahme an Veranstaltungen erst möglich. Die Einrichtung von "Toiletten für alle" an sämtlichen öffentlichen Orten ist ein wesentlicher und notwendiger Schritt hin zur gesellschaftlichen Inklusion aller Menschen.